Es lebe der Zentralfriedhof
(Text: Wolfgang Ambros)
Es lebe der Zentralfriedhof und alle seine Toten!
Der Eintritt ist für Lebende heut‘ ausnahmslos verboten.
Weil der Tod a Fest heut gibt, die ganze lange Nacht.
und von die Gäst‘ ka einziger a Eintrittskarten bra[u]cht.
Wann’s Nacht wird über Simmering, kummt Leben in die Toten,
und drüben beim Krematorium tan s‘ Knochenmark anbraten.
Dort hinten bei der Marmorgruft, dort stengan zwei Skelete,
die stessen mit zwei Urnen z’samm und saufen um die Wette.
Am Zentralfriedhof is Stimmung, wia seit Lebtag no net woa,
weil alle Toten feiern heut seine ersten hundert Jahr.
Es lebe der Zentralfriedhof und seine Jubilare.
Sie liegen und verfaul’n scho da seit über hundert Jahre.
Draußt is kalt und drunt is warm, nur manchmal a bissel feucht,
wenn ma so drunt liegt, freut ma sich, wann’s Grablaternderl leucht.
Es lebe der Zentralfriedhof, die Szene wird makaber;
die Pfarrer tanzen mit die Huren, und de J u d e n mit d‘ Araber.
Heut san alle wieder lustig, heut‘ lebt alles auf.
Im Mausoleum spielt a Band, die hat an Wahnsinnshammer drauf.
Am Zentralfriedhof ist Stimmung wia seit Lebtag no net woa,
weil alle Toten feiern heute seine ersten hundert Jahr.
Es lebe der Zentralfriedhof! Auf amoi macht’s a Schnalzer,
der Moser singt’s Fiakerlied und die Schrammeln spüln an Walzer.
Auf amoi is die Musi still, und alle Aug’n glänzen
weil dort drübn steht der Knochenmann und winkt mit seiner Sensen.
Am Zentralfriedhof ist Stimmung wia seit Lebtag no net woa,
weil alle Toten feiern heute seine ersten hundert Jahr.